Spuren

Spurensuche nach einem fast vergessenen Dichter

Auf der ersten Seite der BILD-Zeitung findet man in der linken Ecke mitunter einen sinnigen Kalenderspruch.

Am 20. Juli 2015 formuliert Hermann Claudius den Spruch des Tages. Es sind die letzten Verse seines Gedichts „An meinem Schreibtisch“ aus dem Jahr 1938.

Bei den Bauarbeiten der Hamburger U-Bahn in den 30er Jahren stieß man auf die Überreste eines um 1250 erbauten Stauwehrs des Alstermühlendamms, wie dieser Vorläufer des Jungfernstiegs einst hieß. Einer der damals freigelegten Eichenpfähle steht als Bildsäule auf dem Bahnsteig der U 1, vom Bildhauer Richard Luksch als Gruppe von sieben Jungfern gestaltet, mit einem plattdeutschen Vers von Hermann Claudius.

Claudius berichtet von dieser Begegnung mit dem Künstler.

„Der uralte Eichenpfahl, der uns beide vereint hat, stand um das Jahr 1200 am alten Alsterufer des damaligen stadtwinkeligen Hamburg. Man fand ihn nebst anderen seines Schlages, als der Tunnel für die Untergrundbahn gegraben wurde. Er mochte nach Meinung des Tiefbauamtes oder weiß Gott welcher Behörde zu Nutz und Frommen der Bildhauer der Kunstgewerbeschule dienen. Der alternde Professor Richard Luksch ging daran und schuf sieben Frauengestalten, entsprechend den sieben Jahrhunderten seit 1200, und damit das Werk, das bleiben und von ihm als Bildhauer zeugen wird. Denn hier fand er zu seiner eigenen Art zurück, frei vom Zufall des Zeitgeistes. Mir aber ward übertragen, einen Spruch zu schreiben, der dem Inhalt der bildhauerischen Arbeit entspräche. ‚Man‘ wählte von den sieben von mir eingesandten Worten das mäßigste, nämlich

De Jahrhunnert de sünd söwen.
Jungfern sünd de sülwen blewen.
Un ick ole eeken Pahl
stah hier op dat sülwe Mal.

und ließ es in den Eekenphahl schneiden, ohne meinen Namen darunter zu setzen.“

(In: Skizzenbuch meiner Begegnungen, 1963)

Das hat sich inzwischen geändert. Eine Tafel erinnert mit dem Vers auch an dessen Dichter:

Nach der Modernisierung des U-Bahnhofs „Jungfernstieg“ in einem schicken Schwarz-Weiß-Design erstrahlt 2021 auch die Steele in neuem Licht.

Zur Sendereihe „Ich trage einen großen Namen“ wurde am 29.4.1989 Gisela Claudius eingeladen. Zu erraten war der große Name Matthias Claudius, im Gespräch erzählte sie aber Anekdoten aus dem Leben ihres Mannes Hermann.

https://www.youtube.com/watch?v=cLDPSHf2xJ4
(Link im Bild)

Auf einem Findling der Gedenkstätte Hohenlockstedt in Schleswig Holstein liest man die (geänderte) erste Strophe eines Gedichts von Hermann Claudius:

Es wandeln sich die Reiche.
Es wandelt sich die Welt.
Doch Gott, der bleibt der gleiche,
der sie in Händen hält.

Fotos: Ulf Evers

Das Gedicht wurde 1942 publiziert. Es ist von einem Motiv geprägt, das man in weiteren Gedichten aus dieser Zeit wiederfindet. Der fromme Christ Claudius stellt sich in die lange Tradition der politischen Paränese und erinnert daran, dass über dem „Reich“ das Reich Gottes steht.

Die staatstreue Zeitschrift „Der getreue Eckart“ scheint diese leise Mahnung nicht gehört zu haben und druckt das Gedicht in ihrer Ausgabe vom Januar 1942 (S. 16).

Ein Soldatenfriedhof ist somit ein geeigneter Ort, um zu zeigen, dass auch ein „1000-jähriges-Reich“ endlich und verloren ist.

Im Jahre 1986 gab es von den „Lübecker Nachrichten“ einen Aufruf, man möge sein eigenes „Lieblingsgedicht“ mit einer persönlichen Erklärung einreichen. Das Lieblingsgedicht der Malerin Elna Kröger, „Wolken sind Gedanken“ wurde ausgewählt und gedruckt.

Elna Kröger hat das Gedicht zudem mit aquarellierten Wolkenbildern illustriert, die sie freundlicherweise dieser Seite zur Verfügung stellt.

Hermann-Claudius ist Namensgeber für Straßennamen, vornehnmlich in seiner Heimat Schleswig-Holstein, aber auch in Nordrhein-Westfalen.

Nicht ganz überraschend heißt der Weg, der zu seinem – inzwischen abgerissenen – Haus in Grönwohld führt, Hermann-Claudius-Weg.

Hemer-Stübecken, Nordrhein-Westfalen

Heide, mit Spielpaltz
Kropp, zusammen mit seinem Freund Ivo Braak, der als Gründer des Instittuts für niederdeutsche Sprache Claudius-Gedichte auch rezitierte.

Die Hermann-Claudius-Schule in Marl wurde 1956 als evangelische Volksschule gegründet und schloss im Jahr 2016: Hauptschulen werden nicht mehr gebraucht. Jetzt gibt es nur noch die Hermann-Claudius-Grundschule in Wasbek bei Neumünster.