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O-Ton: Der Dichter liest seine Gedichte selbst
Lesung vermutlich 1968, mit Varianten der hier genannten Erstveröffentlichungen
Masken (1920)
Wie das geschehen mag:
Wir tragen Masken am hellen Tag
papierenfein.
Die halten unser Menschensein
lächelnd gefangen.
Einer kann nicht zum andern gelangen.
Zwischen Menschen- und Menschensein
lächeln die Masken
papierenfein.
Kleines Lied (1925)
Den Blumenstrauß vom Felde
hab’ ich für dich gepflückt.
Und du magst fröhlich glauben
Gott hat ihn dir geschickt.
Er war in jeder Blüte.
Er war in jedem Duft.
Ich hab ihn eingesogen
mit jedem Zug der Luft.
Und hab’ mich heimgesungen,
des Gottes übervoll,
und diesen Strauß geschwungen,
der es dir sagen soll.
Abendlied (1928)
Eh ich mich niederlege,
vom Tage müd’ gemacht,
schau ich noch einmal gerne
auf in die dunkle Nacht.
Die Sterne ziehen stille
die ewigen Bahnen hin.
Und nur der ewige Wille
weiß um ihren Sinn.
Und rings das tiefe Schweigen
gibt meinem Herzen Ruh.
Ich seh den Mond auch steigen
und wink ihm freundlich zu.
Und geh in meine Kammer
und lösch die Kerze aus.
Und bin mit Mond und Sternen
im großen Vaterhaus.
An die Sonne (1935)
Du liebe, liebe Sonne,
bescheine mich,
laß Gutes in mir wachsen,
Das bitt’ ich dich.
Gott hat dich angewiesen.
Du darfst nicht ruhn.
Du mußt nach Seinem Willen
nun immer tun.
Und wenn wir’s nicht verstehen,
du nicht und ich,
so wird es doch geschehen.
Das tröstet mich.
Das läßt mich ruhig schlafen
die lange Nacht.
Ich weiß, du wirst mich wecken
mit deiner Pracht.
Du liebe, liebe Sonne,
Gott ist wohl gut.
Bescheine mich, mach wachsen
meinen kleinen Mut.
Birken (1925)
Durch meiner Seele Unrast geht
ein birkenstiller Heideweg.
Die Stämme stehen weiß und rein
und wandern leuchtend vor mir her
wie Säulen in ein Heiligtum,
das irgendwo dahinten harrt.
Ich weiß nicht wo, doch bin ich still
und wandre mit den Stämmen fort.
Abendlied (1940)
Durchs dunkele Gezweige
seh ich den Mond dort stehn.
So hat mein alter Ahne
ihn einstens auch gesehn.
Und ist nach Tag und Jahren
mein Enkelkind ergraut,
wird wieder einer stehen,
der nach dem Monde schaut.
Durchs dunkele Gezweige
sieht er den Mond dann stehn
und denkt: so hat vor Zeiten
mein Ahn ihn auch gesehn.
Schöne des Sommers (1936)
Schöne des Sommers: ist’s nicht wie Abschiednehmen?
Zehrt unser Lachen nicht heimlich vom Traurigsein?
Tönt nicht dumpfer Trommelwirbel darein?
Schreitet nicht durch das Leuchten ein dunkler Schemen?
Einst, da ich jung gewesen, sah ich es nicht,
blieb es fremd meinen Augen, fremd meinen Ohren.
Aber dennoch ward es mit uns geboren,
dennoch trägt es unser eigen Gesicht.
Dennoch durch das Leuchten bin ich der Schemen,
bin ich gedämpfter Trommelwirbel darein,
ist mein Lachen heimliches Traurigsein –
Alle Schöne des Sommers ist Abschiednehmen.
Sommer (1947)
Der Kapuzinerkressenblütenbogen,
von deiner Hand uns hinterm Haus gezogen
in Schwefelgelb und Sonnenleuchterot –
das rankt und prangt und lichterliert und loht!
Wir stehen beide lange Hand in Hand
und haben unser Aug nicht abgewandt
und trinken seine Schöne in uns ein
und träumen, selbst solch Blütenkranz zu sein
von einem hin zum anderen gezogen,
ein Kapuzinerkressenblütenbogen.
Der Rosenbusch (1936)
Es haben meine wilden Rosen
– erschauernd vor dem Hauch der Nacht –
die windeleichten, lichten, losen
Blüten behutsam zugemacht.
Doch sind sie so voll Licht gesogen,
daß es wie Schleier sie umweht,
und daß die Nacht in scheuem Bogen
am Rosenbusch vorübergeht.
Herbstliche Vase (1936)
Cosmäen, ihr Glücklichen!
Aus schmaler Vase
äugt ihr mich an
wie liebliche Kinder
und lächelt.
Und lächelnd
welkt ihr dahin.
Doch ewig ist – glaubt mir –
ein zärtliches Lächeln,
so ewig
wie Gott.
Was ist ein Jahr – (1935)
Was ist ein Jahr?
Ein Blatt vom Baum der Ewigkeit
Da sinkt es hin.
Was ist der Mensch?
Ein Äderchen an diesem Blatt,
das schnell verdorrt.
Doch ist dies alles Sinnbild nur
und nichts lebendig
als wir selbst.
Und ist nur Eins, das köstlich ist:
der Augenblick,
der Atem tut.
O saug’ ihn ein! Er will durch dich
zur Ewigkeit.
Doch alles ist
ein Sinnbild nur.
Meinen vier Töchtern (1935)
Daß zwei sich herzlich lieben,
gibt erst der Welt den Sinn,
macht sie erst rund und richtig
bis an die Sterne hin.
Daß zwei sich herzlich lieben,
ist nötiger als Brot,
ist nötiger als Leben
und spottet aller Not.
Daß zwei sich herzlich lieben,
ist aller Welt Beginn,
macht sie erst rund und richtig
bis an die Sterne hin.
Ursula (1928)
Mein Kind, mein Kind, du unser Kind,
du unsere Allerkleinste.
Von allen Flammen, die da sind,
bist du die allerreinste.
Ich seh’ viel tausendfache Spur.
Die Erde, will mir deuchten,
wär’ ein umirrter Hügel nur.
Und du darauf das Leuchten.
Kehr bei dir ein (1961)
Kehr bei dir ein,
sei dir der Gast,
den du so selten
bei dir hast.
Kehr bei dir ein,
sei dir die Ruh,
schieb hinter dir
den Riegel zu.
Kehr bei dir ein
und binde dich
dem inneren Ich
und finde dich.
Denn du hast doch
nur dich allein
vor Gott und Welt.
Kehr bei dir ein.
Rodegrütt (1912)
Rodegrütt! Rodegrütt!
Kik mal, wat lütt Hein hüt itt.
Allns rundüm hett he vergeeten.
Rodegrütt, dat is en Eten!
Rodegrütt!
In de Schol de letzte Stünn
kunn he sick op nicks besinn,
un int Bookstabeern un Lesen
is he lang so dumm nich wesen.
Man he keem bi dat un düt
jümmer mank de Rodegrütt.
Rodegrütt!
– „Na, lütt Heini, noch en beten?“
Mudder het hüt veel to möten.
Hans un Hein un Stin un Gret
eet, as güng dat üm de Wett,
Rodegrütt!
Leddig is de grote Grapen.
Greten ilt, em uttoschrapen.
Heini man, de lütte Deef,
hölt mit beide Hann den Sleef.
Wat dor allns noch binnen sitt!
Rodegrütt!
Radio. (1929)
Wo geit’t blots an:
Vadder het en Kassen kofft,
de snacken kann –.
He steit op’t Schapp,
as en anner ok.
Vadder makt: Tipp –
Un denn as nich klok,
denn speelt he mit’nmol Vigelin un Fleit,
as weer dat so ut de Luft herweiht.
Un denn snackt en. Un denn snackt twee.
Un denn ward dat en grote Snackeree.
Mal snackt en Mann. Mal snackt en Fro.
Un ümmer heet se Radio.
Un awends, wenn ick slapen schall,
denn makt se richtig eerst Krawall.
Mit Brummbaß, Trummel un Trumpett,
dor speelt se all’ denn üm de Wett.
Dat larmt un zackereet as dull.
Dat ganze Hus is dorvun vull.
Man ümmerto, man ümmerto –
För Vadder hewwt se Angst – jo – jo – –
He drückt mal eben op’n Knop – –
foorts holt se op.
Dokterbesök (1920)
Min Popp is krank, heel slimm, heel slimm.
Lop mal gau na’n Dokter rüm! –
Och, Herr Dokter, se bliwwt doch nich dod?
Nein, das hat noch keine Not.
Haben Sie Honig im Haus?
Jawull!
De Putt is noch bet baben vull.
Darf ich mal? Der ist wirklich fein.
Geben Sie ihr zwei Teelöffel ein.
So voll wie dieser, sehen Sie?
Einen abends, den andern früh.
Einen früh, den andern spät,
bis es dem Kind wieder besser geht.
Einen spät, den andern früh,
so voll wie dieser, sehen Sie?
Aber der Honig ist wirklich . . .
– Stopp!
Du lepelst den ganzen Honnig ja op
Hein Schütt!
Nee, ick speel nich mehr mit!
Regenwäder (1912)
Junge, Junge, lat de Katt!
– Mudder, buten regent dat.
Speel mit din Suldaten!
Un he lött se upmarschiern . . .
Junge, lat dat Kummandiern!
Wat schall ck denn blot maken?
Kik doch mol int Billerbok!
Un he kickt un fröggt nu klok:
Mudder, wat is dat?
Ja, wennt buten regen deit
un de Mudder sitt un neiht . . . .
Speel man mit de Katt!
Snee. (1924)
Wat dat sneet! Wat dat sneet!
– Jung, du halst di natte Föt.
Lop man gau na Schoster Klopp,
dor mutt erst en Reester op! –
Schoster Klopp! Schoster Klopp!
dor schall foorts en Reester op!
Minetwegen man so’n lütten.
He brukt ok nich lang to sitten.
Kik mal Meister, wat dat sneet!
U – mi kribbelt all de Föt.
Schoster Klopp! Schoster Klopp!
Mak man gau, sünst holt dat op! –
Schoster Klopp, de seggt blot: Paff !
Sett di dal un töw man af!
Backen blewen! (1912)
Och, lütt Hein mag nich mehr lewen.
He is wedder backen blewen.
Scheef de Böker ünnern Arm
steit de mank den Kinnerswarm:
Backen blewen!
Swor dat Hart, so swor vun Truern
slikt he lurig lank de Muern,
sett he langsam Been vör Been,
fangt he lisen an to ween’n.
Man mit eenmal mutt he denken:
Vadder wull em n Trummel schenken,
Trummel un en Scheetgewehr,
wenn he röberkamen weer.
Mudder köp em wull en Säbel.
Un mit sine Kremperstebel
as en richtigen Suldat
exerzeer he lank de Strat.
Jungedi! Wat weert för n Lewen!
Weer he bloot,
weer he bloot
nich backen blewen!
De Kunfirmand vun de Waterkant (1912)
„Bonjes in de Grabbel smiten!
Scholböker in Stücken riten!
Nicks mehr möten, wat man mußt!
Jungedi! Dat is en Lust!“
„Un een Week noch oder twee,
swemm ick buten all op See!
Kenn ick jedes Tau an Deck,
vun de Back bet an dat Heck!“
„Un denn giww t en Storm! Hallo!
Un uns Schipp, dat danzt man so!
Hüserhog un denn na ünn!
Un ick sitt in n Matkorf binn!“
„Un denn kam ick trüch: Ahoi! –
Mudder krigt en Papagei!
Vadder krigt en ganze Kist
vull Havannas! Dats gewiß!“
Un so simmeliert uns Mat
fierlich sick lank de Strat,
swatten Hot un lange Büx.
All dat Görntüg gellt em nicks.
Man dor stat je Frich un Hein!
„Jan, speel mit! Ick sett di tein!“
Wat? – Nu kik doch blot een an!
Würklich Jan, de Stüermann,
vergitt den ganzen Ozean,
speelt Marmeln, wat he kann.
Wutsch! (1924)
As de Musfall opstellt weer,
kunn ick meist nich slapen,
eben in den ersten Drom
hör ick ehr al klappen.
Ut dat Bett herut in’n Swung
un dat Licht ansteken –
un denn hew ick mi den Gast
ganz genau bekeken.
„Bewer nich so, lüttes Deert.
Ick will di nich eten.
Ok uns grote Muschekatt,
de schall di nich freten.
Nee, üm dinen finen Hals
krigst du en rotsiden
Poppenhaarband üm. Paß op,
denn mögt’s all di liden!
Wat? – Du hest den Steert di klemmt?
Töw, min lüttje Luten, –
so – nu treck em rut!“ – – O weh!
Wutsch! – Dor is se buten!
Rük! (1924)
Heine Siker
hett en Rüker
op Korinten un Rosin’.
Mudder hett ehr gau versteken,
un he hett gewiß nich keken.
Man he weet se doch to finn’.
Rüker, Rüker, Rüker, rük:
achtern in de spitze Tüt!
Wünschen.
Ick wull, uns’ lütte Zuckerpott
weer as en Hus so grot.
Denn greep ick mi vun Vadder sin’
den allergröttsten Hot.
Denn kladder ick int Finster rin,
de Zucker liggt so witt:
Den groten Hot bit baben vull,
den nöhm ick mi denn mit.
Dat Siel (1923)
Achtern is dat Siel verstoppt.
Kik mal, wat Hein Moller loppt.
Regent hett dat rein as dull
all den ganzen Rönnsteen vull.
Heini de steiht in de Mitt:
Junge, Junge! Wat dat sprütt!
Korl mit sin holten Tüffeln
kann dat Water richdig schüffeln.
Dat’s en Högen.
Minentwegen
kann dat jeden Dag so regen.
Kusenled. (1924)
De Herr von Brimbrambrusen
sitt binnen in den Kusen.
Dor sitt he bin’n so seker,
un tuckt mit sinen Peker,
un tuckt mal grot, un tuckt mal lütt,
un freit sick, dat he dor so sitt,
dar binnen in den Kusen,
de Herr von Brimbrambrusen.
Bedelmann. (1924)
Giff mi doch en Stück blot aff,
Annemik, manto!
Wenn’t ok meist so lütt man weer
as för’n Pipifloh.
Wenn’t ok man en Stück blot weer
buten vun de Kant.
Kik, ick knip de Ogen to.
Legg mi’t in de Hand!