Lehrer

Lehrer in Hamburg

Als Schüler besuchte Hermann Claudius die Volksschule in Hamburg-Eimsbüttel. Diese Schule war um die Jahrhundertwende bereits in starkem Maße von reformpädagogischen Ideen und Ansätzen geprägt, die die Qualität des hamburgischen Bildungswesens ausmachten. Reformpädagogik und die Wandervogel-Jugendbewegung hatten einen gemeinsamen geistigen Nenner: Freiheit und Unabhängigkeit standen gegen preußischen Drill, gegen leere Konvention und erstarrte Traditionen. Gegen verlogene Äußerlichkeiten setzt die moderne Jugend das ganzheitliche Leben und Erleben. Eigenständiges Leben äußert sich zugleich im Willen zu einem selbstständigen Lernen, einem Drang zu Wissen und Kultur. Naturverbundene Reformpädagogik bedeutet ein völlig neues Verständnis von Schule und Lernen. Das zeigt sich auch im Verhältnis von Lehrer und Schüler. Der Lehrer ist mittendrin, Teil seiner Schülerschaft, Lernen bedeutet auch gemeinsames Erleben.

Diesem Strom war Hermann Claudius nicht nur ausgesetzt, er war als junger Hamburger Lehrer selbst ein Aktivist dieser Bewegung. Er hatte in den Jugendjahren als Schüler und Seminarist am eigenen Leibe Kultur nicht nur erfahren, er war vielmehr so weit hineingewachsen in literarische, bildnerische und musikalische Aktivitäten, dass er neben seinem Lehrerberuf die Möglichkeit fand, Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges einen eigenwilligen, höchst originellen Gedichtband zu veröffentlichen, eine Sammlung plattdeutscher Lyrik unter dem Titel „Mank Muern“ (Zwischen Mauern).

Über dreißig Jahre (von 1900 bis 1933) unterrichtet Hermann Claudius an über 10 Schulen in Hamburg (Liste unter Biografie 1878-1933), bevor er aufgrund eines Motorradunfalls mit 54 Jahren pensioniert wurde. Seine tägliche Erfahrung im Umgang mit seinen Schülern und den eigenen Kindern findet einen Niederschlag in Kindergedichten, den „Kinnerriemels“. Sie geben Einblick in den geistigen Kontext des Pädagogen Claudius, der vor diesem Hintergrund seine ersten Gedichte schrieb.